Samstag, 24. September 2022

Auf Spurensuche nach Kafkas Schloss


Es ist ein großes Rätsel der Literaturgeschichte: Wo liegt nur, Kafkas Schloss? Nun gilt es, dem Geheimnis des Schlosses auf die Spur zu kommen, welches doch gar kein Schloss im eigentlichen  Sinne ist. Es geht dabei um die räumliche Verortung des geheimnisvollen Ortes, welcher gar kein richtiges Schloss im eigentlichen Sinne ist.

Das Schloss ist bei Kafka vor allem eine Frage der Vorstellung. Soll man sich das Schloss des Grafen Westwest, der den Landvermesser angeblich hat kommen lassen, vorstellen wie das düstere Schloss des Grafen Orlok in Murnaus »Symphonie des Grauens«? Oder gleicht es dem Prager Hradschin oder einem anderen Schloss im Böhmischen?

Kafka liefert in dem Text eine recht brauchbare Beschreibung des Schlosses, an der man sich bei der Spurensuche orientieren kann. „Es war weder eine alte Ritterburg, noch ein neuer Prunkbau, sondern eine ausgedehnte Anlage, die aus wenigen zweistöckigen, aber aus vielen eng aneinanderstehenden niedrigeren Bauten bestand; hätte man nicht gewußt, , daß es ein Schloß ist, hätte man es für ein Städtchen halten können.“

Wer hätte das vermutet? - Das Schloss erweist sich als eine recht seltsame Ansammlung von niedrigen Häusern und nicht etwa als zu erwartender Prunkbau. Es ist ein recht elendes Schloss, und das darunter liegende Dörfchen, das aus Dorfhäusern zusammengetragen ist. Zudem bietet das Schloss weder dem Tor zum oberen Dorf noch dem Tor zum unteren Dorf eine Schauseite. Die eigentliche Prunkseite ist dem Garten zugewandt, der von hohen Mauern umschlossen ist, nicht einsehbar.

Die Beschreibung des Schlosses ist jedoch merkwürdig, denn das Schloss entspricht K.s Erwartungen, aber sicherlich nicht denen des Lesers, der sich unter einem Schloss eher einen „Prunkbau“ oder die alte „Ritterburg“ vorstellt, als eine Anlage, die einem kleinen Städtchen ähnlich sieht. Diese Darstellung steht im Kontrast zu dem was man sich gemeinhin unter einem Schloss vorstellt.

K. scheint hier zum ersten und vielleicht zum letzten Mal kurze Erkenntnis zu gewinnen. „Nun sah er das Schloß deutlich umrissen in der klaren Luft.“ So deutlich wird er das Schloss im Laufe des Romans nie wieder erkennen.

Einiges spricht dafür, den Geburtsort von Kafkas Großvater für den Ort des Schlosses zu halten. Aufschlußreich ist hier ein Artikel des profunden Kafka-Kenners Klaus Wagenbach in der ZEIT.

Das Dorf Woßek besteht aus zwei Teilen. Der größere liegt in einer Senke, an einem Teich, der kleinere, einige hundert Meter entfernt, auf einer Anhöhe. Das gesamte Dorf ist klein: Heute wohnen dort etwa hundertfünfzig Menschen. Von Radomischl kommend, betritt man zuerst das Unterdorf, eine Zeile von wenigen Häusern links und rechts der Straße, die auf den Dorfanger mündet. Am Anger liegt – und lag schon immer – ein Gasthaus. Vom Anger ab teilt sich die Straße. An der Ecke steht eine kleine Kapelle, unter der nach halbrechts führenden Straße fließt der Teich ab. Diese Straße führt zu einem auf der Anhöhe liegenden Schloß. Die andere Straße, halblinks, läuft im Bogen durch freies Feld, ebenfalls auf die Anhöhe, in das um das Schloß gruppierte Oberdorf, und dann weiter nach Kbelnitz.

Kafka kannte mit Sicherheit Woßek, wahrscheinlich schon von Besuchen des Großvaters her, gewiß aber sah er es anläßlich des Begräbnisses, damals sechseinhalb Jahre alt, Schüler der Prager Deutschen Volksschule am Fleischmarkt. Als ältester Sohn der Familie war er nach jüdischer Sitte verpflichtet, am Begräbnis des Großvaters teilzunehmen. In den folgenden Jahren war er wohl noch einige Male in Woßek, als Gymnasiast während der Schulferien, die er öfters bei einer Tante in Strakonitz verbrachte. Danach besuchte Kafka Woßek sehr wahrscheinlich niemals wieder – die Gründe liegen auf der Hand: Es war der Ort des Vaters, der geographische Fixpunkt jener Berichte von den Leiden seiner Kindheit, die zu den Haupterziehungsmitteln des Vaters gehörten.

Zitiert aus: Klaus Wagenbach, »Wo liegt Kafkas Schloß?«, »DIE ZEIT«

Anhand dieser recht genauen Schilderung drängt sich der Eindruck auf, daß Klaus Wagenbach bei seiner Recherche auf den Spuren des Großvaters Kafkas Schloss tatsächlich gefunden hat.


Samstag, 11. Juni 2022

Franz Kafka-Haus in der Alchemistengasse

Goldenes Gässchen

Kommt man von der St.-Veits-Kathedrale her, geht man am Seitenschiff der Kathedrale entlang durch den Dritten Burghof, von dort an der St.-Georgs-Kirche vorbei in die Georgsgasse (Jirska ulice). Dort biegt man dann links in die Alchimistengasse ein.

Das Goldene Gässchen (tschechisch Zlatá ulička), auch Alchimistengasse oder Goldmachergasse genannt, ist ein Gässchen an der Innenmauer der Prager Burg und ein Touristenmagnet von Prag. Berühmtheit erlangte es vor allem, weil hier unter der Aufsicht Kaiser Rudolfs II. Alchimisten gewirkt haben sollen, um für ihn künstliches Gold und den Stein der Weisen zu erzeugen.

Das Goldene Gässchen befindet sich zwischen der nördlichen Burgmauer und dem Burggrafenpalast und ist durch zwei Türme begrenzt, den Weißen Turm im Westen und die Daliborka im Osten. Hinter den elf kleinen Häusern der Gasse befindet sich der Wehrgang. Die Häuschen stammen aus dem 16. Jahrhundert und wurden als Unterkünfte für die Burgwachen Kaiser Rudolfs II., die sogenannten roten Schützen, gebaut. Später zogen vor allem Goldschmiede in die Hütten ein, wovon die Gasse wahrscheinlich ihren Namen erhielt.

Im 19. Jahrhundert war das Goldene Gässchen sehr heruntergekommen, denn es siedelten sich vorwiegend ärmere Leute dort an. Zwischen 1916 und 1917 lebte hier der Schriftsteller Franz Kafka und arbeitete im Haus Nr. 22 an seinen Werken Er schrieb hier einige der kurzen Erzählungen, die 1920 in der Sammlung »Ein Landarzt« veröffentlicht wurden.

Kafka, der unter dem Lärm im Haus "Zum goldenen Hecht" litt, suchte im Sommer 1916 wieder einmal eine ruhige Stätte für sein Schreiben. Da traf es sich gut, dass auch seine jüngste Schwester Ottla, die sich von dem vereinnahmenden Elternhaus zu lösen suchte, auf der Suche nach einer Bleibe war. Gemeinsam machte man sich auf den Weg und wurde überraschend in einem kleinen Gässchen fündig, dass heute eine der großen Touristenattraktionen von Prag ist, aber damals vor allem von ärmeren Menschen bewohnt wurde. In einem Brief an Felice Bauer beschreibt er, wie es zu diesem Fund kam:

"Im Sommer ging ich mit Ottla Wohnung suchen, an die Möglichkeit wirklicher Ruhe glaubte ich nicht mehr, immerhin ging ich suchen. Wir sahen einiges auf der Kleinseite an, immerfort dachte ich, wenn doch in einem der alten Palais irgendwo in einem Bodenwinkel ein stilles Loch wäre, um sich dort endlich in Frieden auszustrecken. Nichts, wir fanden nichts eigentliches. Zum Spaß fragten wir in dem kleinen Gässchen nach. Ja, ein Häuschen wäre im November zu vermieten. Ottla, die auch, aber in ihrer Art, Ruhe sucht, verliebte sich in den Gedanken, das Haus zu mieten..."

Die Begehung der Alchimistengasse ist inzwischen zu den Hauptzeiten kostenpflichtig.

Samstag, 19. März 2022

»Das Schloss« Einleitung



»Das Schloss« ist ein im Jahr 1922 begonnener und Fragment gebliebener Roman von Franz Kafka, welcher 1926 posthum erschienen ist. Zu Lebzeiten Kafkas erfuhr die Öffentlichkeit nichts von dem Schloss-Roman, genauso wenig wie von dessen Autor. Kafkas Freund und Verleger Max Brod hat das unvollendete Werk im Jahr 1926 entgegen der Verfügung Kafkas aus dem Nachlass herausgegeben.

Das letzte, von Januar bis September 1922 entstandene Romanfragment greift das bereits vorher in dem Roman »Der Prozess« entworfene Thema der unendlichen, letztlich scheiternden Suche des Individuums nach Erkenntnis auf, dieses mal eingetaucht in die düstere Welt der Bürokratie. Kafkas Schwanengesang ist eine schillernde Parabel für den Kampf gegen und das Ausgeliefertsein an anonyme Mächte.

In seinem unvollendeten Romanfragment »Das Schloss« beschreibt Franz Kafka das Ringen eines auf Anweisung eines Grafen in einen düsteren Landstrich gekommenen Mannes mit einem bürokratischen Apparat, welcher alles kontrolliert und gleichzeitig außer Kontrolle zu geraten scheint. Kafka beschreibt den Konflikt eines Menschen gegen die eine undurchschaubare Bürokratie und die Machenschaften der Beamten.

Ort der Handlung ist ein nicht näher bestimmtes Schloss und das unterhalb liegende Dorf. Ein Landvermesser wird von einem Grafen beauftragt. Seine Versuche, den Auftrag auszuführen, sind jedoch zum Scheitern verurteilt, denn eine unsichtbare Macht scheint ihn davon abzuhalten, in dessen Schloss hinein zu gelangen.

Schauplatz ist ein Dorf, das zu Füßen eines Schlosses ohne nähere geografische Bestimmung liegt und von dort aus beherrscht wird. Im Mittelpunkt der nur sechs Tage umfassenden Handlung steht ein Fremder namens K. Er folgt einer angeblichen Einladung aus dem Schloss und ist von weither angereist, um als Landvermesser zu arbeiten, doch alle Versuche, mit der Schlossbehörde in Kontakt zu kommen, scheitern. Allmählich beginnt K., sich wie die anderen Dorfbewohner der undurchsichtigen Macht des Schlosses zu beugen.

Franz Kafkas Romanfragment, verfasst sieben Jahre nach dem »Prozess«, gilt einer kleinen geheimnisvollen und undurchschaubaren Welt voller Geheimnisse. Der späte Kafka erzählt darin eine in sieben Tagen stattfindende, recht absurde Geschichte eines vergeblichen Zutritts in ein seltsames Schloß, in.das keiner hineinkommt, umgeben von einem Dorf, welches kaum mehr als zwei Gasthäuser und zwei Gassen hat.

Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka (E)

Franz Kafka

Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka

Heute ist Franz Kafka der modernste Dichter der klassischen Zeit - ein moderner Klassiker.

Bei Kakfa begegneten sich ein Geist und eine Zeit und aus diesem Konflikt heraus sind seine Werke entstanden.

Als ewig Reisender auf der Suche nach sich selbst erfindet Kafka sich immer wieder neu. Nur das Schreiben zieht sich durch sein ganzes Leben. Er studiert das menschliche Verhalten und macht vor keinem moralischen Dilemma halt. Doch seine Erzählungen werden nicht immer geschätzt, er bleibt ein Außenseiter im literarischen Betrieb. Es ist die Zeit der ?


Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka ist bis heute ein ewig rätselhafter Schriftsteller geblieben.